Förderverein Schindlers Blaufarbenwerk e.V.
            

Einst Rückgrad der Sächsischen Montanindustrie, heute fast vergessen - die Blaufarbenwerke

Dass Kobaltblau bereits im Altertum bekannt war, wird u.a. durch die blau glasierten Ziegel des Ischtar-Tores von Babylon, es befindet sich im Pergamon-Museum zu Berlin, belegt. Auch Ägypter, Römer, Griechen und Kelten nutzten sporadisch die farbgebende Wirkung dieses Schwermetalls. Die industrielle Produktion der Kobaltpigmente begann allerdings erst mit der Entdeckung der Schneeberg-Neustädtler Kobaltvorkommen um das Jahr 1500 herum und der daraus resultierenden Entstehung des sächsischen Blaufarbenwesens. Die im 17. - 19. Jahrhundert in vier Werken hergestellten Kobaltglasprodukte dienten nicht mehr nur als Mal- und Glasurfarben, sondern fanden auch zum Bleichen von Wäsche und Papier Verwendung. Fast 200 Jahre lang dominierte das sächsische Blaufarbenwerkskonsortium als Dachorgansation der einzelnen Werke den Weltmarkt.

Das Gebäudeenseble "Schindlers Blaufarbenwerk" blieb durch glückliche Umstände (s.u.) bis heute erhalten und stellt somit ein einzigartiges Zeugnis der Montangeschichte dar. Es wurde als letztes der großen vier sächsischen Blaufarbenwerke im Jahre 1649 erbaut. Vorausgegangen waren die Gründungen Pfannenstiel (1635, heute Nickelhütte Aue), Oberschlema (1642) und Sehma bei Annaberg (1649, ab 1687 Zschopenthal bei Waldkirchen). Die Familie des Werksgründers, Erasmus Schindler (1608-1673), soll aus Böhmen, genauer gesagt aus Schindlerswalde bei Elbogen stammen. Das Bergamt selbst betitelte ihn als einen „starken bauenden Gewerck- und Handelsmann zum Schneeberg“ und unterstützte nachdrücklich sein Gesuch zur Erteilung einer Konzession für das Blaufarbenwerk.

Tatsächlich konnte Schindler sein Anliegen in Rekordzeit verwirklichen. So kaufte er das entsprechende Grundstück an der Mulde am 27. Februar 1649, die Konzession zur Errichtung der Farbmühle erhielt er am 4. Mai des gleichen Jahres. Auch der Aufbau des Werkes muss sehr zügig von Statten gegangen sein, denn bereits am 7. September 1650 durfte er laut kurfürstlicher Verordnung die Produktion aufnehmen. Über all diese Daten sind wir deshalb so genau unterrichtet, weil die jeweiligen Urkunden, bzw. Schreiben bis heute z. T. in mehreren Abschriften im Hauptstaatsarchiv Dresden bzw. im Bergarchiv Freiberg erhalten geblieben sind.

Erasmus Schindler wählte als Standort für seine Farbmühle einen Platz an der Zwickauer Mulde, hinter Albernau, wie es im Kaufvertrag vom 27. Februar 1649 heißt. Wie im Falle der anderen Werksgründungen auch, hatte das fragliche Gelände bereits eine Vorgeschichte aufzuweisen. So soll es sich um einen alten Seifengrund gehandelt haben, vermutlich waren auch Graben- und Wehranlagen vorhanden. Der Kaufpreis von 75 Gulden ist mit jener Summe vergleichbar, die Veit Hans Schnorr d. Ä. 14 Jahre zuvor für die ebenfalls bereits erschlossene Wiese am Pfannenstiel für den Bau seines Werkes ausgegeben hatte. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Lokalitäten besteht aber doch. Damals wie heute fällt Schindlerswerk besonders durch seine Abgelegenheit auf, die sich vor allem in schneereichen Wintern unweigerlich als Nachteil erweisen musste. Was also mag Schindler dazu bewogen haben, sich gerade für diesen Standort zu entscheiden?

Bei näherer Betrachtung kommt man zu dem Schluss, dass das Werk zwar etwas abseits größerer Siedlungen liegt, dennoch sind andere, zu dessen Betrieb essentielle Voraussetzungen geradezu ideal erfüllt. So genügte die vorhandene Wasserkraft noch weit bis ins 20. Jahrhundert hinein allen Ansprüchen. Während die Pfannenstieler Mühlen in trockenen Sommern fast regelmäßig vom Schwarzwasser im Stich gelassen wurden, war das bei der viel ergiebigeren Mulde nur selten der Fall. Zudem konnte Brennholz in fast jeder beliebigen Menge herangeflößt werden, wenn es denn vorhanden war, denn auch Schindlerswerk musste mit dem holzhungrigen Schneeberger Bergbau konkurrieren. Jedenfalls war die Nähe zu den Kobaltgruben gegeben, so dass die Erze hier nicht zu ungünstigeren Konditionen wie in Oberschlema oder Pfannenstiel beschafft werden konnten. Selbst die Abgeschiedenheit sollte sich letztendlich noch günstig auswirken. Sie ist ein Grund dafür, dass das Gros der historischen Gebäude des Produktions- und Wohnkomplexes Schindlerswerk im Gegensatz zu den anderen Standorten bis heute erhalten geblieben ist. Ein anderer Grund ist, dass sich die Produktpalette über die Jahrhunderte nur wenig veränderte und somit keine allzu umfänglichen Neubauten anstelle der historischen Bausubstanz notwendig wurden.

Einen ersten Eindruck von dem neu erbauten Blaufarbenwerk vermittelt eine Zeichnung des passionierten Bockauer Heimatforschers Gerhard Vogel, der nach eigenen Angaben seine Jugend in Schindlerswerk verbracht hat (Abb.1). Natürlich muss die Authentizität dieser Darstellung kritisch hinterfragt werden, dennoch entsprechen die abgebildeten Gebäude dem Minimalbestand, der von Anfang an in Schindlerswerk, genauso wie an den anderen Standorten vorhanden gewesen sein muss. Man kann also zumindest sagen, dass das Werk um 1650 so ausgesehen haben könnte, wie Gerhard Vogel es dargestellt hat. Demnach dominieren Pochwerks- und Mühlengebäude (Abb. 1 Bildmitte). Links davon finden wir die eigentliche, niedrig gehaltene Hütte mit jeweils mindestens einem Kalzinier- und Glasschmelzofen. Die niedrigen Bauten im Vordergrund dienten zu Lagerzwecken. Hinter der Hütte erkennt man den Holzanger, auf dem das herangeflößte Brennholz ausgeworfen und getrocknet wurde. Der spätere Mittelpunkt des Werkes, das sicherlich auch kurz nach der Werksgründung erbaute Herrenhaus mit dem charakteristischen Glockenturm, fehlt auf dieser Darstellung noch. Die früheste bekannte reale Darstellung von Schindlerswerk stammt aus der Zeit um 1845 (Abb. 2). 

Abb. 1/ So ähnlich wie sich Gerhard Vogel Schindlerswerk kurz nach der Gründung 1649 vorstellte, könnten auch die anderen sächsischen Blaufarbenwerke anfangs ausgesehen haben.

Abb. 2/ früheste bekannte reale Darstellung von Schindlerswerk um 1845.

Im Kobaltkontrakt vom 11. September 1649, in dem er erstmals als Kontrahent in Erscheinung trat, verpflichtete sich Schindler ebenso wie die anderen Teilnehmer 600 Zentner Kobalterz jährlich aufzukaufen. Es gelang ihm demnach, fast aus dem Stand heraus, mit den anderen Blaufarbenwerksbesitzern Burckhardt, Öhme und Rosina Schnorr gleichzuziehen. Schindlerswerk wurde in der Folgezeit kontinuierlich erweitert und eroberte sich seinen Platz im Sächsischen Blaufarbenwesen. Als der Industriezweig in der Mitte des 19. Jahrhunderts in die Krise geriet, wurde neben der Einziehung von Zschopenthal auch die Schließung von Schindlerswerk diskutiert. Fast im letzten Moment entschied man sich aber für eine andere Lösung. Das Blaufarbenwerk wurde 1855 unter großem Aufwand zur Fabrik für künstliches Ultramarin umgebaut. Nachdem einige Anfangsschwierigkeiten überwunden waren, konnte der Privatblaufarbenwerksverein in einem zukunftsfähigen Markt Fuß fassen. Dieser mutige und nachhaltige Schritt trug nicht wenig dazu bei, dass die sächsischen Farbfabriken die schwierige Zeit überstanden. Bis 1946 waren Schindlerswerk und Niederpfannenstiel im Blaufarbenwerksverein miteinander verbunden, erst dann gingen die Betriebe getrennte Wege. Während in Aue die Nickelhütte entstand, produzierte man im Muldental bis 1996 Ultramarin. Die Schindlerswerk GmbH & Co KG produziert auf dem von historischer Bausubstanz geprägtem Areal bis heute Farben und verschiedene Spezialprodukte.   

Abb. 3/ Standorte der sächsischen Blaufarbenwerke.

Pfannenstiel      1635-Gegenwart (heute Nickelhütte Aue GmbH)

Jugel                  1642 (?)-1677

Oberschlema    1644 (Konzession 1642)-1959 (Abbruch des Werkes bis 1965)

Sehma               1649 (Konzession 1644)-1687, Verlegung nach Zschopenthal 1687-1848

Schindlerswerk 1649-Gegenwart (heute Schindlerswerk GmbH & Co KG)

 

Quelle:

Dr. Mike Haustein: Das sächsische Kobalt- und Blaufarbenwesen, Mitteldeutscher Verlag Halle (Saale), 2020 ISBN 978-3-96311-438-0